Pressegespräch Lebenszykluskosten Ein- und Zweifamilienhäuser
"Lebenszykluskosten von Ein- und Zweifamilienhäusern" Pressegespräch zum Forschungsprojekt am 15.09.2017
Bmstr. Johannes Dinhobl, Baumeister und Initiator des Projekts, Ing. Robert Jägersberger, Landesinnungsmeister Bau NÖ, DI Dr. techn. Helmut Floegl, Donau-Universität Krems, stellen die Broschüre zur Lebenszykluskostenrechnung vor.
Lebenszykluskostenoptimierung senkt Folgekosten
Bei der Entscheidung für die Investition in ein Eigenheim spielt die Höhe der Investitionskosten die größte Rolle. Nicht weniger entscheidend sollten allerdings die Folgekosten nach der Errichtung und damit die gesamten Lebenszykluskosten der Immobilie sein. Doch diese werden nur von den wenigsten Bauherren in der Planungsphase berücksichtigt.
Experten aus der Baubranche haben gemeinsam mit der Donau-Universität Krems an einem Forschungsprojekt zu diesem Thema gearbeitet. Nun haben sie ihre Ergebnisse in einem Handbuch zusammengefasst. Die Forschungserkenntnisse zeigen, wie wichtig die Planung zur Vermeidung unnötiger Folgekosten ist. Als Grundlage des Projekts diente ein 2014 in Niederösterreich fertiggestelltes, zweigeschossiges und teilweise unterkellertes Ziegel-Massivhaus mit einer Doppelgarage als Nebengebäude. Der Betrachtungszeitraum der Lebenszykluskostenberechnung umfasst insgesamt 50 Jahre.
Folgekosten – das Doppelte der Errichtungskosten
Im Zuge des Projekts wurde eine Lebenszykluskostenberechnung durchgeführt, die veranschaulicht, wie hoch die Folgekosten im Verhältnis zu den Errichtungskosten einer Immobilie ausfallen können. „Die nach der Errichtung zusätzlich entstehenden Folgekosten summieren sich über 50 Jahre auf das Doppelte der Errichtungskosten und mehr“, erläutert Dipl. Ing. Dr. techn. Helmut Floegl von der Donau-Universität Krems. Laut Ergebnis des Rechenbeispiels machen die Errichtungskosten 43 Prozent der gesamten Lebenszykluskosten aus. Der Rest verteilt sich auf unterschiedliche Folgekosten. Ganz oben auf der Liste stehen mit 39 Prozent große Instandsetzungen, die um die 30 bis 40 Jahre nach Errichtung der Immobilie anstehen. Jeweils 7 Prozent der Lebenszykluskosten fallen für die Ver- und Entsorgung (Energie, Wasser, Müll) sowie für die Reinigung und Pflege von Haus und Garten an. Folgekosten für Wartungen, Inspektionen und kleine Reparaturen machen im Rechenbeispiel mit 1 Prozent den geringsten Anteil aus. Für eine umfassende Darstellung aller anfallenden Kosten innerhalb eines Gebäudelebenszyklus wurde auch der Aufwand für den Abbruch und die Objektbeseitung miteinberechnet. Dieser macht gut 3 Prozent der gesamten Lebenszykluskosten aus. „Kein Bauherr möchte sich mit Problemen auseinandersetzen, die erst in zehn Jahren auftreten könnten. Doch bei allen Entscheidungen ist es wichtig, dass nicht nur die Investitionskosten, sondern auch die zu erwartenden Betriebs- und Instandhaltungskosten berücksichtigt werden“, fasst Bmstr. Johannes Dinhobl, Initiator des Projekts, zusammen.
Mit der richtigen Planung zu geringeren Kosten
„Wird Lebenszykluskostenoptimierung konsequent in der Planung berücksichtigt, können diese Folgekosten deutlich reduziert werden. Damit können Bauen und Wohnen langfristig leistbar bleiben“, erklärt Floegl. Eine Immobilie durchläuft in ihrem Lebenszyklus fünf verschiedene Phasen: die Konzeptentwicklung, die Planung, die Errichtung, die Nutzung und der Betrieb und zuletzt der Abbruch bzw. die Entsorgung. Im Vergleich zum Nutzen ist der Anteil der Planungskosten sehr gering. Gleichzeitig ist in dieser Phase der Einfluss auf alle weiteren Kosten im Gebäudelebenszyklus am höchsten. Daher ist es wichtig, während der Entwurfs- und Planungsphase grundlegende Entscheidungen zu fällen, um die Folgekosten so gering wie möglich zu halten. Nach Fertigstellung des Gebäudes können die Folgekosten nur noch begrenzt beeinflusst werden und sind zudem mit intensiven Kosten verbunden. Bauherren sollten ihre eigenen finanziellen Möglichkeiten kennen und diese den Bauplanern vermitteln. So kann der Bauherr bei der Abwägung der Kosten und des Nutzens seiner Wünsche auf die Unterstützung des Planers zählen, da dieser auf alle monetären Folgen einer Investition hinweisen kann.
Die größten Kostentreiber
Haben Privatpersonen bei der Planung ihres Eigenheims spezielle Wünsche, dann sollten sie sich der höheren Kosten im Laufe des Gebäudelebenszyklus bewusst sein. Ein Balkon beispielsweise erfordert zusätzliche Bauteile, Anschlüsse und Durchdringungen der Gebäudehülle. Große Glasflächen sorgen zwar für lichterfüllte Räume, allerdings verursachen sie auch zusätzlichen Reinigungsaufwand, erhöhen den Energiebedarf im Gebäude und benötigen außen einen guten – und kostenintensiven – Sonnenschutz. Ebenfalls einen großen Kosteneinfluss haben die Wahl des Energieträgers sowie die Komplexität und der Wartungsaufwand für die Haustechnik. Auch eine Garage bietet zwar viele Vorteile, allerdings sollte hier ebenso mit höheren Errichtungs- und Folgekosten gerechnet werden. Als günstigere Alternative bietet sich auch ein Carport an. Der Keller ist ein weiterer Folgekostentreiber. Jeder unnötige Quadratmeter an Gebäudefläche zieht kaum reduzierbare Folgekosten mit sich.
Tipps zur Minimierung von Folgekosten beim Planen und Bauen
Im Zuge des Projekts konnten die Bauexperten wertvolle Tipps zum kostenbewussten Planen und Bauen sammeln. Zur Verringerung unnötiger Folgekosten empfiehlt sich z. B. eine möglichst geringe Anzahl an Mauer- und Deckenvorsprüngen sowie Dachdurchdringungen. Auf diese Weise wird das Risiko von Wärmebrücken und Undichtheiten vermindert. Um zu sparen, könnte man z. B. auch auf Elektro- und Heizungsleitungen in tragenden Wänden verzichten, sodass diese im Falle eines Umbaus leicht demontiert werden können. Außerdem sollten Bau- und Anlageteile gut zugänglich und einfach zu warten sein.
Nachhaltiges Bauen ist die Zukunft
In der heutigen Gesellschaft wird zunehmend auf Nachhaltigkeit bei Immobilien gesetzt. Staatliche Förderungen treiben diese Entwicklung weiter voran. Nichtsdestotrotz wird der Fortschritt gleichzeitig durch die Deckelung der Wohnbauförderung gebremst. Ing. Robert Jägersberger spricht sich für die Aufhebung der Deckelung aus – allerdings mit Vorbehalt: „Die Wohnbauförderung sollte nicht für noch mehr Technik im Haus genutzt werden. Vielmehr sollte man sie in eine nachhaltige und massive Bauweise investieren. So bleibt das Gebäude lange erhalten und kann über mehrere Generationen genutzt werden.“